Künstliche Intelligenz: Mit „cAI“ hat das Unternehmen eine lokal gehostete und praxisnahe Lösung für das Wissensmanagement entwickelt.
Von Nicola Beier
Osterburken. Wer an KI denkt, dem fällt wahrscheinlich direkt das Silicon Valley mit OpenAI, Google, Microsoft oder Nvidia ein. Auf das beschauliche Osterburken wird in diesem Zusammenhang zunächst wohl niemand kommen. Dass sich das in Zukunft ändert, daran arbeiten Lukas Zimmermann und Julian Nuss schon eine ganze Weile. Mit ihrem Unternehmen „CustomAIzed“ (ausgesprochen: kastemeisd; die Red.) bieten sie individuelle Lösungen für Firmen, die ihr Wissensmanagement im Unternehmen reformieren und neu gestalten wollen.
Angefangen hat alles 2018. Julian Nuss als geschäftsführender Gesellschafter des Filterherstellers Junker-Filter aus Sinsheim hatte sich das Thema Wissensmanagement auf die Fahne geschrieben: „Denn Wissen ist für viele ,Hidden Champions’ im ganzen Land ein wichtiges Fundament für den unternehmerischen Erfolg“, blickt der 38-Jährige auf die Anfänge zurück. Um Wissen in die nächste Generation zu transferieren, hat er viel ausprobiert: „Ich habe ein firmeninternes Wikipedia aufgebaut, Software eingeführt und Excel-Listen kreiert und bin immer wieder gescheitert – muss ich ganz ehrlich sagen.“
„JuFi“: ein firmeninterner Wissens-Bot
Die Lösung kam Anfang 2023 mit dem Aufkommen der generativen KI. Nuss erkannte schnell das Potenzial und vernetzte sich in der aufstrebenden Heidelberger KI-Szene. Das Ergebnis war der „JuFi“, ein firmeninterner Wissens-Bot für Junker Filter, der das gesamte Wissen des Unternehmens über Filtersysteme bündelt. Seither nutzt das mittelständische Unternehmen generative KI für sein Wissensmanagement. Schnell wurden auch Partnerfirmen auf den „JuFi“ aufmerksam, den Wissensmanagement und -transfer stellen viele Unternehmen vor große Herausforderungen.
In diesem Zuge kam im August 2023 die Firma AZO ins Spiel. Junker-Filter ist seit rund 50 Jahren Lieferant des Osterburkener Unternehmens, das sich auf den Bau von Anlagen spezialisiert hat, welche vollautomatisiert Rohstoffe innerhalb einer Produktion lagern, fördern und dosieren. „Das sind natürlich sehr Know-How intensive Themenbereiche. Entsprechend leben auch wir vom großen Erfahrungsschatz, der bei uns im Unternehmen existiert“, erklärt Lukas Zimmermann, in dritter Generation als Gesellschafter im Familienunternehmen aktiv. Folglich ist auch das Interesse von AZO, firmeninternes Wissen an die nachfolgenden Generationen zu übermitteln, immens. Der „JuFi“ stellt somit auch die ideale Lösung für die AZO-Gruppe dar, wie Nuss und Zimmermann zufällig in einem Lieferantengespräch festgestellt haben.
„CustomAIzed“ im Mai gegründet
Ende 2023 wurde somit eine angepasste Form des „JuFi“ in die IT-Landschaft der AZO-Gruppe integriert. Das war von Anfang an ein großer Erfolg und führte dazu, dass mittlerweile bereits über 250 Mitarbeiter von AZO täglich mit der Software arbeiten. Um die KI-Plattform auf dem neusten Stand zu halten, entwickelten die IT-Abteilungen der beiden Unternehmen fortan gemeinsam die Software weiter, wodurch fortlaufend neue Funktionen ergänzt wurden. Zimmermann und Nuss sahen das Potenzial der Plattform und der Zusammenarbeit beider Unternehmen und gründeten im Mai das Unternehmen „CustomAIzed“. Dieses fokussiert sich auf den Vertrieb und die Weiterentwicklung der Plattform, die nun „cAI“ (ausgesprochen: kai; die Red.) genannt wird.
Praxisnähe als Vorteil
Mit „cAI“ können Unternehmen ihr Wissensmanagement unabhängig von Microsoft und anderen Systemen neu strukturieren. Einen großen Vorteil, den Nuss und Zimmermann gegenüber ihrer Konkurrenz sehen, ist die Praxisnähe, aus der heraus „cAI“ weiterentwickelt wurde. Ihre Zielgruppen sind dabei nicht Unternehmen mit Milliardenumsätzen, sondern die „Hidden Champions“ im Land. „Wir wollen KI-Lösungen für Unternehmen mit fünf Mitarbeitern anbieten, genauso wie für Firmen mit über 500 Angestellten“, so Zimmermann. Den beiden ist es wichtig, dass die Plattform an die Unternehmen und jede Form der dortigen Datenstruktur angepasst wird. „Ob ein Kunde strukturierte oder unstrukturierte Daten verwendet, wir bieten ihm immer eine auf ihn abgestimmte kundenspezifische Lösung – auf Englisch: customized“ betont Nuss.
Lokal gehostetes Programm
Ein weiterer Pluspunkt, den „CustomAIzed“ laut Zimmermann mitbringt, sei, dass das Programm lokal gehostet werde. „Es wird beim Kunden aufgespielt – die Daten bleiben dann auch dort. Was der Kunde also mit seinen Daten im Programm anstellt, können wir weder einsehen noch geht es uns etwas an. Da hat niemand Externes Zugriff.“ Lediglich eine Schnittstelle für Updates gebe es. Wichtig war es den beiden Gründern auch von Beginn an, die Plattform konform der Datenschutz-Grundverordnung und des EU AI-Act zu halten, um jederzeit Datenschutz und Datenhoheit, sowie die Einhaltung gesetzlicher Normen zu garantieren.
In der Anwendung funktioniert „cAI“ wie ein klassischer Chatbot. Man kann Prompts erstellen, auf die das Programm mit rund 90-prozentiger Sicherheit richtige Antworten liefert. Wenn aufgrund ungenauer Quellen widersprüchliche Antworten gefunden werden, weist „cAI“ darauf hin. Jedoch – wie bei jeder generativen KI – sollte der Nutzer auch bei „cAI“ die Antworten durchaus noch einmal hinterfragen, ergänzen Zimmermann und Nuss.
Angestellte können aktiv an „cAI“ mitarbeiten
„cAI“ zeigt dem Nutzer immer die Quellen an, in denen es die Antwort gefunden hat. Der Nutzer kann daraufhin die Dokumente mit einem Klick öffnen und darin weiterlesen. Diese Funktion kann auch dafür genutzt werden, nach Schlagworten zu suchen. „Manchmal ist es ja so, dass man weiß, dass man Informationen zu einer bestimmten Sache hat, man weiß nur nicht, wo“, erklärt Nuss. Mitarbeiter, die die nötigen Berechtigungen erhalten, können Informationen in „cAI“ einpflegen und verifizieren. „So stellen sie fest, dass sie nicht ersetzt werden, sondern den Prozess aktiv mitgestalten und ihren Beitrag zur Verbesserung des Programms leisten“, erklärt der 38-Jährige.
Es gebe auch eine Schnittstelle ins Internet, wenn das gewünscht sei. Das könnte gerade dann interessant sein, wenn firmenintern keine Informationen zu einer gewissen Frage vorlägen, erläutert Zimmermann und nennt ein simples Beispiel: „Wenn man fragt, wie der FC Bayern am Wochenende gespielt hat, dann muss ,cAI´ sagen, dass er dazu intern nichts findet.“ Im Internet gäbe es aber die passende Antwort.
Fünf aktive Kunden und weitere Anfragen Aktuell hat „CustomAIzed“ fünf aktive Kunden und bereits 60 weitere Anfragen. „Es stößt auf wahnsinnige Resonanz“, freuen sich beide Geschäftsführer. Entsprechend arbeiten sie ständig an der Verbesserung des Tools: „Wir wollen ,cAI‘ am Puls der Zeit halten. Deswegen werden wir weiterhin individuell für unsere Kunden Lösungen finden“, sagt Zimmermann. Und Nuss ergänzt: „Dabei ist es uns natürlich wichtig, weiterhin unsere Agilität zu bewahren.“