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Bier: Wo die Regionalität das Qualitätsmerkmal Nummer 1 ist

März 28, 2025 | Allgemein

Wie sich regionale Biere am Markt bewähren, erläutert die Reportage der Fränkischen Nachrichten. © Michael Fürst
Warum sind regionale Biere oft teurer? Die Fränkischen Nachrichten sind im Rahmen der „Spotlight“-Serie der Frage nachgegangen und haben die Antworten darauf gefunden.

Von Michael Fürst

Main-Tauber-Kreis/Miltenberg. Drei Kumpels waren jüngst zum gemeinsamen Fußballschauen verabredet. Unterhaltung, Geselligkeit und lustiger Schnack waren geplant – so wie schon viele Male zuvor. Das beste Getränk dazu: Bier. Der Gastgeber hatte welches besorgt und kredenzte seinen zwei Freunden dann: ein Hasseröder. „Was ist das denn jetzt?“, fragte einer der Gäste verdutzt. „Neun Euro, neunundneunzig die Kiste“, antwortete der Gastgeber mit einem breiten Grinsen und ergänzte kess: „Hab‘ gleich drei Kisten mitgenommen.“ 9,99 Euro, dachte sich einer der Gäste. Er hatte wenige Tage zuvor für die Kiste einer hiesigen Brauerei 18,99 Euro bezahlt. Warum ist der Preisunterschied so enorm und wie können sich die regionalen Brauereien in diesem Markt überhaupt bewähren? Die FN sind dieser Frage nachgegangen und haben Antworten gefunden.

„Das ist letztlich der Kern unserer täglichen Aufgabenstellung: Wie machen wir unsere Regionalität und Qualität transparent?“, sagt Moritz Bauer, zusammen mit Christoph Ebers Geschäftsführer der „Distelhäuser Brauerei“. Sein Partner fügt an: „Der Aktionspreis bewegt sich heute noch auf dem Niveau von 2008, das heißt bei zehn, elf Euro pro Kiste. Aber das Aktionsvolumen ist von damals 40 auf 80 Prozent gestiegen. Das muss ein Unternehmen erst einmal verkraften.“ Supermarktketten nutzen Bierpreisaktion auch dazu, um Kunden in ihre Läden zu locken. „Wir bewegen uns anders am Markt“, sagt Ebers und erklärt: „Für uns ist ein langfristiges Denken entscheidend. Bei den Preisaktionen der Fernseh-Brauereien spielen oft kurzfriste Marktanteils-Gedanken eine Rolle. Wir produzieren ausschließlich mit regionaler Braugerste und kaufen kein fertiges Malz auf internationalen Spotmärkten, sondern kaufen bei regionalen Landwirten.“

Die regionalen Produkte sind ein Grund dafür, warum der Preis für „Distelhäuser“-Bierkisten teurer ist als der der Großbrauereien. Der Hauptgrund ist aber das langsame Brauen. Qualität benötigt Zeit. So haben sich in Europa gut 30 kleinere Brauereien dem Verfahren „Slow Brewing“ (Erklärung im Text nebenan) verschrieben. Neben „Distelhäuser“ gehört auch „Faust“ aus Miltenberg zu diesem erlesenen „Klub“. Geschäftsführer Johannes Faust erklärt: „Wir brauchen für ein Bier etwa fünf bis sechs Wochen, bis es fertig ist. Die Industriebiere benötigen teilweise nur zwischen anderthalb und zwei Wochen. Den Unterschied merkt man dann nicht nur im Geschmack, sondern auch in der Bekömmlichkeit. Aber damit dürfen wir leider nicht werben. Wir investieren wegen der guten Bekömmlichkeit viel in Reifekapazität und in unser Sudhaus.“ „Faust“ arbeitet mit einer offenen Gärung. „Eine Gärung kann man in zwei, drei Tagen machen, bei uns dauert sie sechs, sieben Tage, damit die Hefe langsamer, aber besser arbeitet.“, erklärt der Geschäftsführer und schiebt einen herrlichen Satz nach: „Die Hefe ist unsere wichtigste Mitarbeiterin.“

Hier herrscht eine große Dichte an Top-Bieren

Die hiesige Region ist übrigens ein europäischer „Hotspot“ für „Slow Brewer“. Neben „Distel“ und „Faust“ gehören auch „Haller Löwen“ aus Schwäbisch Hall und „Welde“ aus Schwetzingen dazu. Nicht dazu, sondern zu „Brauer mit Leib und Seele“ gehört „Herbsthäuser“. Unter diesem Siegel sind zehn Brauereinen in Baden-Württemberg vereint. Geschäftsführer Christian Wunderlich erklärt: „Wir beziehen die Gerste für unsere Biere zu hundert Prozent aus unserer Region und bezahlen den Landwirten auch mehr. Wir nutzen beispielsweise Doldenhopfen und keine Hopfenpellets oder Hopfenextrakt. Wir sind viel kleiner und nehmen uns mehr Zeit für unser Bier. Ein Bier kann man in drei Tagen brauen, bei uns dauert es mindestens sechs Wochen.“

Bei dieser Dichte an regionalen Qualitäts-Brauereien muss man doch zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass der Wettbewerb unter- und gegeneinander riesig sein muss. Dem ist aber nicht so. Johannes Faust sagt: „Die regionale Konkurrenz ist gut, weil wir ohne die nur noch an der nationalen Konkurrenz gemessen werden würden. Ich halte die regionale Vielfalt für wichtig.“ Moritz Bauer von „Distelhäuser“ sieht das ähnlich: „Wir tauschen uns regelmäßig aus. Es ist ein fairer Umgang. Jeder kämpft für sich. Mit Herbsthäuser haben wir gemeinsam ein Festzelt.“ Christian Wunderlich sagt zu diesem Thema: „Wir sind nicht aggressiv am Markt.“ Das heiß so viel: Man versucht dem regionalen Konkurrenten nicht jede Gaststätte abzujagen.

Aufgrund des bundesweit abnehmenden Bierkonsums hat „Faust“ sein „Ausschankgebiet“ in den vergangenen Jahren ein wenig erweitert hat. Es geht nun von Miltenberg bis Mosbach und von Heilbronn bis Darmstadt und in den Taunus. „Um den Umsatz zu halten“, erläutert Johannes Faust. „Distelhäuser“ fährt hier eine andere Strategie, wie Christoph Ebers darlegt: „Wir versuchen in Frische und Qualität stärker zu werden als große Sprünge aus der Region hinauszumachen. Wir sind ein Stück Heimat für die Menschen. Im Raum Frankfurt wären wir nicht mehr attraktiv.“ Das Gebiet von Distel erstreckt sich in einem Radius von etwa 80 bis 100 Kilometer „um unseren Schornstein“. Das heißt: Etwa von Würzburg bis Heilbronn und vom Spessart bis nach Hohenlohe. „Herbsthäuser“ definiert sein Verbreitungsgebiet so: Von Würzburg bis Mosbach und von Schwäbisch Hall bis Crailsheim.

Nicht nur Bier: Brauereien sind breiter aufgestellt

Zurück zur Qualität: Um die besonderen Charakterzüge ihrer für den Konsumenten transparent zu machen, nehmen „Distelhäuser“ und „Faust“ regelmäßig an nationalen und internationalen Wettbewerben teil. In beiden Brauereinen sind an Wänden die Auszeichnungen und Preise präsentiert. Und diese Wände sind groß. Doch nicht nur in der Vergangenheit haben die beiden „slow Brewer“ abgeschöpft, sondern auch in der Gegenwart: „Faust“ darf sich nach Platz 1 bei der „Frankfurt International Beer Trophy“ als „beste Brauerei Deutschlands 2024“ bezeichnen. Beim „European Beer Star Award 2023“ wurde das Pils von „Distelhäuser“ als „das beste Pils Deutschlands“ ausgezeichnet. Diesen Erfolg zeigt die Brauerei nun auch stolz auf dem Etikett der Pils-Flaschen. „Es ist ein wundschöner Beleg für die Mühe, die man ins Produkt steckt. Es lässt sich aber nicht in Euro, Cent oder Hektolitern ausdrücken, was so ein Preis bewirkt“, sagt „Distel“-Geschäftsführer Christoph Ebers. „Herbsthäuser“ nimmt an solchen Wettbewerben nicht teil. Christian Wunderlich erklärt warum: „Wir legen unseren Fokus nicht auf Wettbewerbe, sondern auf die Qualität und den Geschmack unserer Produkte.“

Dass die Privatbrauereinen schon seit vielen, vielen Jahren nicht nur auf dem Standbein „Bier“ stehen, zeigt das neuest Produkt von „Distelhäuser“, das nun auf den Markt kommt: Der „Strolch“ (Cola-Mix) bekommt seine „Eltern“: Es wird eine Cola und eine Orangenlimo auf den Markt kommen, dazu eine „Cola zero“. Bei „Faust“ steht das „Bayrisch Hell alkoholfrei“ in den Startlöchern. Seit kurzem versuchen sich die Miltenberger auch im Segment „Dosenbier“. Das ist ein Beispiel dafür, dass der Markt dauernd in Bewegung ist, und man ständig neu gefordert ist. Doch für die Zukunft sehen „Faust“, Distelhäuser“ und „Herbsthäuser“ gewappnet. Es wird weiter ständig in Anlagen – vor allem aber in Qualität investiert. Der Satz von Christian Wunderlich trifft nämlich auf alle drei Brauereinen zu: „Die Regionalität ist unsere Qualität.“

Übrigens: Der Fußball-Abend der drei Männer war dann standesgemäß schön. Vielleicht wäre es aber mit einem Bier aus der Region ein unvergesslicher Abend geworden…

Die Brauereien
  • Distelhäuser: Gut 100 Mitarbeiter, je nach Saison zwischen 15 und 20 Biere im Angebot. Über den Jahressausstoß in Hektolitern macht die Brauerei keine Angaben.
  • Faust: Gut 60 Mitarbeiter, hat gut 20 Biersorten im Angebot. Der Jahresausstoß liegt bei rund 60.000 Hektolitern pro Jahr.
  • Herbsthäuser: Gut 60 Mitarbeiter, elf Biersorten im Angebot. Der Jahresausstoß liegt bei etwa 50.000 Hektolitern.
  • Zum Vergleich: Während eines Oktoberfestes (Dauer gut drei Wochen) werden etwa 65.000 Hektoliter Bier getrunken.

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