Der deutsche Top-Schiedsrichter Deniz Aytekin referierte beim Stadtwerk Tauberfranken über Respekt und Wertschätzung – und begeisterte seine Zuhörer.
Von Klaus T. Mende
Begriffe wie Respekt, Wertschätzung, Fairness oder Akzeptanz stehen bei Deniz Aytekin hoch im Kurs. Er lebt sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor und vermittelt sie den Mitmenschen – auf dem Fußballplatz als einer von Deutschlands Top-Schiedsrichtern, aber auch bei seinen vielen Vorträgen, die jedes Mal auf großen Anklang stoßen.
Jetzt war der 1,97-Meter-Hüne beim Stadtwerk Tauberfranken im Rahmen eines zweitägigen Führungskräfteseminars zu Gast und schaffte es einmal mehr, seine Zuhörer mitzunehmen und zu begeistern. „Ein toller und höchst informativer Abschluss unserer Zusammenkunft. Jeder von uns hat sicher wertvolle Impulse für seine Arbeit erhalten“, meinte denn auch Paul Gehrig, Sprecher der Geschäftsführung des in Bad Mergentheim ansässigen Energieversorgers.
Führungskräften wichtige Werkzeuge an die Hand zu geben, sei die Grundlage einer positiven Unternehmenskultur und ebenso ein Ziel des Leadership-Seminars des Stadtwerks Tauberfranken gewesen. „Für uns ist es wichtig, die Fähigkeiten unserer Führungskräfte zu entwickeln, um sich auch in herausfordernden Zeiten wie diesen anzupassen, Mitarbeiter zu motivieren und nachhaltig zur Unternehmensentwicklung beizutragen. Gleichzeitig wollen wir bereichsübergreifend ein besseres Verständnis zwischen Technik und Kaufleuten schaffen und so aus guten individuellen Einzelspielern eine noch bessere Mannschaftsleistung erzielen“, sagte Paul Gehrig.
Aytekin: erneut Deutschlands Schiedsrichter des Jahres
„Wir treffen täglich Entscheidungen“, so der 46 Jahre Deniz Aytekin, eben zum dritten Mal zu „Deutschlands Schiedsrichter des Jahres“ gewählt. Wichtig sei, als Führungskraft die Kollegen – ob auf dem Platz oder im Unternehmen – mitzunehmen, denn „sie wollen wertgeschätzt werden“.
Er liebe es, Schiedsrichter zu sein, so der frisch verheiratete Aytekin schmunzelnd – „aber nicht etwa, weil ich daheim nichts zu melden hätte“. Nein, als Referee genieße er die ganz besonderen Momente, wie zum Beispiel die gut 30 Sekunden des Einlaufens in ein voll besetztes Stadion. Solche Augenblicke brauche es auch im Job, um ein erstrebenswertes Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, weil es zwischendurch mal schwierige Situationen zu bewältigen gebe und sich Hürden in den Weg stellten.
Mehr als 1000 Spiele geleitet
Deniz Aytekin („mit 46 bin ich aktuell mehr an den Therapie- als an den Fitnessgeräten“), der in seiner Laufbahn bislang bei mehr als 1000 Partien in sämtlichen Klassen auf dem Platz stand, gab seinen aufmerksamen Zuhören an die Hand, „gute Entscheidungen zu treffen“, auf die man sich aber vorbereiten sollte. Denn wem es gelinge, dies zu bewerkstelligen, „der ist als Mensch viel empathischer und respektvoller im Umgang mit anderen“ – vor allem in Stresssituationen.
Bei Entscheidungen: Alle im Team mitnehmen
Die richtigen Entscheidungen seien im Team zu treffen, um alle mitzunehmen. Deswegen sei es ratsam, strategisch vorzugehen. Hierzu gehöre zunächst einmal die Antizipation von Handlungen, was nichts anderes bedeute, als das nächste Problem rechtzeitig zu erkennen – weit bevor es sich auftue. „Vorbereitet sein heißt auch, mehr Zeit zum Abwägen zu haben.“
Ebenso sei es von Vorteil, so der namhafte Referent, „Automatismen zu entwickeln – und dann auch abzurufen“. Ein Entscheider müsse bestrebt sein, Lage A zu bemerken, um darauf mit den Lösungswegen B, C und D reagieren zu können. Es sei darauf zu achten, eine Reizüberflutung zu vermeiden – im Job genauso wie auf dem Spielfeld, wo ein Referee in 90 Minuten bis zu 250 Entscheidungen zu treffen habe. „Jeder Handgriff muss sitzen, um kognitive Ressourcen zu sparen“, führte der prominente Redner weiter aus.
Um schlussendlich zu einem guten Resultat zu kommen, sollten des Weiteren unbedingt Zusatzinformationen wahrgenommen, Reaktionen von Kollegen (Spielern) erfasst und das Umfeld in Augenschein genommen werden, meinte Deniz Aytekin: „Es benötigt ein Interesse am Gegenüber, für das zugleich ein intuitives Gefühl zu entwickeln ist.“
Pro-aktiven Mitarbeitern mehr Verantwortung übertragen
Der 46-Jährige ist ein Verfechter dessen, die psychologische Sicherheit im Team zu fördern und zu forcieren: „Wir sollten pro-aktiven Mitarbeitern mehr Verantwortung übertragen, eine gesunde Fehlerkultur zulassen und mutig agieren, denn jeder – von der Putzfrau bis zum Geschäftsführer – kann einen Beitrag zum Gelingen einer Entscheidung leisten.“ Wer so handle, zeige Haltung, vermittle das Gefühl, dass jeder Einzelne ein Teil des Ganzen sei, und fördere seine Wertschätzung gegenüber den Kollegen zutage.
Ein transparenter Führungsstil auf Augenhöhe im Unternehmen schaffe zudem Akzeptanz und Anerkennung, gibt Deniz Aytekin den Stadtwerks-Beschäftigten weiter mit auf deren beruflichen Weg, um ihnen zugleich den Tipp kundzutun, „Rückfragen nicht als Angriff zu werten“, einen möglichen Egotrip zu vermeiden und sich „mehr um die Bedürfnisse der Menschen zu kümmern“.
Abschließend riet der passionierte Unparteiische seinen Zuhörern, Entscheidungen auf Augenhöhe zu erklären, denn die Kollegen wollten ernstgenommen werden, Entscheidungen kommunikativ vorzubereiten und Selbige zu leben: „Jeder sollte bereit sein für persönliche Veränderungen und seinen eigenen Weg finden – denn auch das sorgt für Akzeptanz.“ Aytekins Credo zum Abschluss: Nicht jammern, sondern umschalten auf lösungsorientierte Ansätze, dazu „Herr über seine Gedanken werden, dann ist alles freiwillig“.
„Besonders das Antizipieren, also Wahrnehmen, des Gegenübers ist mir im Gedächtnis geblieben und ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Erfolgsfaktor, sowohl auf dem Spielfeld als auch bei uns im Unternehmen“ so eine Teilnehmerin.
Mit langanhaltendem Beifall verabschiedeten die Führungskräfte des Stadtwerks Tauberfranken Deniz Aytekin, der im Großraum Nürnberg zu Hause ist. Sie hätten den kurzweiligen Ausführungen, von denen jeder in seinem künftigen Tun stark profitieren dürfte, sicher gerne noch länger gelauscht.