Eine Filderstädter Firma hat sich auf den Rückbau von Sportplatz-Belägen spezialisiert, in Külsheim angesiedelt und ist weltweit führend im Recycling der Komponenten.
Von Heike Barowski
Langsam öffnet sich das elektrische Tor in der Benzstraße. Ein Lkw fährt auf den Hof. Er hat große Rollen aus alten Kunstrasen-Sportböden geladen. Während ein Teleskoplader die Ladung Stück für Stück aus dem Lkw hebt und fein säuberlich auf den dafür vorgesehenen Platz stapelt, sitzen ganz in der Nähe an einer Bierzeltgarnitur Philipp Raff und Markus Deimling. Vor ihnen liegen etliche Pläne und Zeichnungen. Die beiden sind Eigentümer und Geschäftsführer der Firma PR Recycling Track & Turf, die seit eineinhalb Jahren eine Betriebsstätte im ehemaligen Kasernenareal Külsheim besitzt und seit diesem Jahr aktiv betreibt. PR Recycling ist auf den Rückbau von Sportplatz-Belägen im Außenbereich und das Recycling der einzelnen Komponenten der Beläge spezialisiert.
Gegründet wurde das Unternehmen vor über 30 Jahren am Hauptsitz in Filderstadt. Zu den angebotenen Tätigkeiten gehört nicht nur die Beratung von Architekten, Sportstättenbauern, Kommunen oder Vereinen über den Ausbau von Kunstrasen-Plätzen und Tartanbahnen. In erster Linie gehören der Rückbau und das Recycling der Komponenten von Sportplatzbelägen zu den Hauptaufgaben des Unternehmens. Der Transport und Handel mit Komponenten der Beläge komplettieren das Angebot. „Wir sind aufgrund unserer Rückbautätigkeit ein Bauunternehmen. Wir haben eine Genehmigung als Fachspediteur für Abfälle, und wir sind zertifizierter Recycling- und Entsorgungsfachbetrieb – also eigentlich drei Miniunternehmen unter einem Dach“, beschreibt Deimling die Firmenstruktur.
Etwa 450 Tonnen Material – bestehend aus Kunstrasen, Sand, Gummigranulat und Elastikschicht – fallen beim Ausbau eines Großfeld-Kunstrasenplatzes an. Diese Komponenten werden vom Unternehmen getrennt, abtransportiert und recycelt.
Trennung von Sand und Granulat
Eine Herausforderung dabei war das Trennen des Sand-Gummigranulat-Gemischs. „Wir haben ein Verfahren entwickelt, bei dem man genau dieses Gemisch hochfein trennen kann“, erklärt Deimling nicht ohne Stolz. Der Sand sei nach dem Trennprozess zu 99 Prozent rein, das extrahierte Granulat bis zu 98 Prozent rein. „Wir sind in diesem Bereich Innovationsführer.“ Die Trennung erfolgt über einen mehrstufigen Prozess unter Verwendung von Wasser und eines Wendelabscheiders. „Dadurch können wir die Komponenten deutlich besser und reiner als über Siebe trennen“. Pro Jahr „zerlegt“ das Unternehmen rund 10 000 Tonnen Gemisch in seine Komponenten. Der wiedergewonnene Sand geht zurück in die Bauwirtschaft. Aktuell arbeitet die Firma an einer Lösung, wie das extrahierte Gummigranulat, das bislang verkauft wird, noch besser wiederverwendet werden kann. „Einhundertprozentiges, stoffliches Recycling nennen wir das“, ergänzt Philipp Raff.
Die erste Trennanlage hat das Unternehmen 2022 gebaut und in Kirchheim unter Teck in Betrieb genommen. Weltweit war dies erst die zweite Anlage, welche die Trennung solch eines Gemischs vornehmen kann.
Weltweit einzigartig
Mit 56 Prozent macht die elastische Tragschicht, die direkt auf den Schotter kommt, den größten Anteil eines Kunstrasens aus. PR Recycling hat ein besonderes Verfahren entwickelt, mit dem diese Tragschicht vor Ort recycelt und wiederverwendet werden kann.
Das Unternehmen besitzt weltweit die erste mobile Anlage dieser Art. Dabei handelt es sich um einen Lkw-Auflieger, der mit einer Zerkleinerungsmaschine und einer Abfüllstation bestückt ist. „Eigentlich wird diese elastische Tragschicht gar nicht zerkleinert. Man will lediglich die Verklebung aufbrechen, um Granulat zu erhalten. Und aus diesem Granulat wird dann die neue elastische Tragschicht hergestellt. Die jeweilige Korngröße des Granulats definiert dann die sporttechnischen Eigenschaften des Bodens“, führt Raff aus.
Markus Deimling spricht von einer Win-win-Situation, weil damit sowohl Ressourcen geschont werden, Transport- und Entsorgungskosten entfallen, genauso wie der Kauf von neuem Material für die Tragschicht. „Es ist ein Verfahren, auf das wir sehr stolz sind“, sagt Deimling. Weil es sich in diesem Fall um gebundenes Gummigranulat handelt, darf es über das Jahr 2032 hinaus beim Sportstättenbau verwendet werden (siehe Hintergrund).
Aktuell tüftelt PR Recycling gemeinsam mit Spezialisten an der Aufbereitung von Tartanbahn-Belägen. Auch hier wäre dann das Unternehmen weltweit führend, da es bisher noch keine Recycling-Prozesse in dieser Richtung gibt. „Unser Vorteil ist, wir wissen ganz genau, wie die Materialien am Ende ihres Einsatzes beschaffen sind und wie sie auszusehen haben, wenn sie eingesetzt werden sollen“, begründet Markus Deimling die besten Voraussetzungen für Innovationen.
Neben Plätzen in Wertheim und kürzlich in Hardheim bereitet PR Recycling auch sehr prominente Plätze, wie den im Wankendorf-Stadion in Bern auf, wo 1954 das deutsche Fußballwunder passierte. Zu den prominenten Kunden der PR Recycling gehören unter anderem die TSG Hoffenheim und Red Bull Leipzig. „Wir bauen in der Regel mit sechs Teams, also an sechs Orten parallel die Sportbeläge zurück“, weiß Raff. Hauptsächlich ist das Unternehmen in Deutschland und der Schweiz im Einsatz.
In Külsheim optimale Bedingungen gefunden
Über eine bundesweite Suche sei man auf eine mögliche Ansiedelung in Külsheim gekommen. Deimling: „Es war gar nicht so einfach, weil dieser Standort genehmigungsfähig sein muss. Aber hier in Külsheim haben wir optimale Bedingungen vorgefunden.“ Inzwischen umfasst das gesamte Areal des Unternehmens in Külsheim knapp 20 000 Quadratmeter. Dort befindet sich nicht nur ein Zwischenlager für die Kunstrasenkomponenten, die pauschal getrennt und sortiert werden. Der Standort wird auch als Betriebshof genutzt. Es werden Spezialmaschinen, Lkw und Teleskoplader abgestellt, gewartet und repariert.
Mitarbeiter gesucht
Insgesamt zählt das Unternehmen über 20 Mitarbeiter, einige davon kommen aus Wertheim und Umgebung. „Wir würden gern mehr Maschinenführer einstellen für Montagetätigkeiten. Das fehlende Personal ist der limitierende Faktor im Unternehmen“, sagt Raff. Auch PR Recycling hat mit der allgemein angespannten Situation am Arbeitsmarkt zu kämpfen. Doch das hindert Markus Deimling und Philipp Raff nicht daran, an weiteren Innovationen zu tüfteln.
Hintergrund: Anzahl, Aufbau und Lebensdauer eines Kunstrasenfelds
- Jährlich werden in Deutschland bis zu 250 Sportplätze saniert und 250 weitere Plätze komplett neu gebaut.
- Ein Kunstrasen besteht aus mehreren Komponenten: dem Teppich aus grünem Kunststoff. Er wiegt bei klassischer Feldgröße etwa sieben Tonnen und macht etwa die Hälfte des Gesamtgewichts eines Sportbodenbelags aus. Zum Belag gehören auch eine Gummigranulat- (35 Tonnen) und eine Sandschicht (150 Tonnen). In dem meisten Fällen kommt noch eine elastische Tragschicht mit 250 Tonnen darunter.
- Neuere Plätze werden in Deutschland jetzt schon nur noch mit Sand oder natürlichen Stoffen, wie Kork oder Olivenkerne, verfüllt. Ab 2032 darf von der Gesetzgebung her aus Umweltschutzgründen kein Gummigranulat als Infill mehr in Verkehr gebracht werden werden. hei