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Seho weitet Vier-Tage-Woche aus

Jan. 27, 2025 | Allgemein

Ein Seho-Mitarbeiter bei der Montage. In dem Unternehmen wird jetzt weitestgehend nur von Montag bis Donnerstag gearbeitet. © Gerd Weimer
Beim Spezialisten für Löttechnologie  wird jetzt generell nur an vier Tagen in der Woche gearbeitet. Andere Unternehmen denken über das Arbeitszeitmodell nach, doch es gibt auch triftige Gründe, die dagegensprechen.

Von Gerd Weimer

Wiebelbach/Wertheim. Seit rund zweieinhalb Jahren gilt für Seho-Beschäftigte in Fertigung und Lagerwirtschaft die Vier-Tage-Woche. Zum Jahreswechsel ging man beim Wiebelbacher Spezialisten für Löt- und Automatisierungstechnik den nächsten Schritt: Auch in der Verwaltung und den technischen Bereichen wurde das Arbeitszeitmodell eingeführt.

„Als mittelständisches Unternehmen mit rund 230 Mitarbeitenden stehen wir vor der Herausforderung, im Wettbewerb um Fachkräfte attraktiv zu bleiben“, wird Seho-Chef Markus Walter in einer Pressemitteilung zitiert. „Durch die Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 37 Stunden bei gleichem Lohn und die Verteilung auf vier Tage bieten wir unseren Mitarbeitenden eine moderne und familienfreundliche Lösung“, so Walter weiter.

Neben den positiven Effekten auf die Zufriedenheit der Beschäftigten verzeichne man eine gesteigerte Produktivität. „Die Erfahrung zeigt: Weniger kann mehr sein – insbesondere, wenn Teams durch zusätzliche freie Tage ausgeruhter und motivierter arbeiten“, heißt es.

Personalchefin Larissa Hepp berichtet von positiver Resonanz in der Belegschaft: „Die Anzahl der Krankmeldungen und die Fluktuationsrate in den betroffenen Abteilungen bleiben auf einem niedrigen Niveau und zeigen sogar eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu früheren Werten.“

Auch der ökologische Fußabdruck des Unternehmens werde verbessert, weil die Beschäftigten weniger Fahrwege zurücklegen müssten. Insgesamt trage das Modell dazu bei, Seho als attraktiven Arbeitgeber in der Region zu positionieren und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Kurtz Ersa: Höhere Belastung durch Arbeitsverdichtung

Seho legt also im Ringen um qualifizierte Arbeitskräfte vor. Auch bei anderen Unternehmen des Wertheimer Wirtschaftsraums macht man sich Gedanken.

Kurtz Ersa, größter Arbeitgeber der Region, prüfe regelmäßig die Vor- und Nachteile von innovativen Arbeitszeitkonzepten, wie der Vier-Tage-Woche, „sowohl aus der Perspektive der Mitarbeiter als auch im Hinblick auf deren betriebliche Umsetzbarkeit“, erklärt Kommunikationsleiter Marcus Loistl. Derzeit gebe es allerdings keine Pläne, das Arbeitszeitmodell einzuführen, sagt er weiter.

Arbeitnehmer wünschen sich eine Vier-Tage-Woche, wie hier gefordert auf einer Kundgebung zum 1. Mai. © dpa

Aus Sicht des Konzerns, der im Bereich Löttechnologie mit Seho konkurriert, erhöhen die zu erwartende Arbeitsverdichtung und die längeren Arbeitstage langfristig die Belastung und senken die Produktivität. Zudem könne sie zu einer Ungleichbehandlung im Betrieb führen, da die verkürzte Woche nicht für alle gleich umsetzbar sei. „Flexibilität, Geschwindigkeit und Erreichbarkeit sind für unsere Kundenbetreuung und die internen Abläufe entscheidend, was bei einer Vier-Tage-Woche schwierig ist“, ergänzt Loistl. Aus diesen Gründen werde die Vier-Tage-Woche nicht angestrebt.

Man setze flexible Arbeitszeitkonten ein, etwa um Auftragsschwankungen auffangen zu können. Auftragsspitzen seien mit einer verkürzten Woche schwerer in Einklang zu bringen. Schließlich zeige die Erfahrung bei Vorstellungsgesprächen, dass der Wunsch und das Interesse nach kürzeren Arbeitswochen „bei den Bewerbern kaum relevant ist“.

König MTM: Auslastung der Maschinen wichtig

Unternehmen mit kapitalintensiver Ausstattung müssen bei den Überlegungen zur Vier-Tage-Woche den Auslastungsgrad ihrer Maschinen berücksichtigen, wie das Beispiel König MTM zeigt. Dort gibt es derzeit keine konkreten Pläne. Ohnehin müssten solche zuvor mit dem Betriebsrat abgestimmt werden, wie der kaufmännische Leiter Hermann Schmedding erklärt.

Bei einer Entscheidung müsse man jedenfalls berücksichtigen, dass bei einer verkürzten Arbeitswoche Maschinen, die teils Millionen Euro gekostet haben, länger stillstehen würden. Das sei sehr unwirtschaftlich, so Schmedding.

Dieses Manko müsste dann etwa mit einem rollierenden System behoben werden, bei dem die Mitarbeiter zwar vier Tage pro Woche arbeiten, die Maschinen aber trotzdem an fünf Tagen im Einsatz sind. Bei Seho musste man auf diesen Aspekt kaum Rücksicht nehmen. Die Produktion der Komponenten für die Lötautomaten übernehmen Lieferanten. Seho baut sie zusammen, ist also ein reiner Montagebetrieb, wie Lena Walter bestätigt.

Brand: Individuelle Arbeitszeitmodelle

„Flexible und familienfreundliche Arbeitszeiten sind seit langem ein wichtiges Thema in der Brand Gruppe. Auch die Einführung einer formalen Vier-Tage-Woche wird in diesem Zusammenhang diskutiert“, berichtet Marketingleiter Matthias Stein. Der Schwerpunkt beim Laborgerätehersteller liege jedoch darauf, individuelle Teilzeitwünsche der Mitarbeitenden im Rahmen einer flexiblen Arbeitszeitregelung zu ermöglichen. Dies umfasse auch Modelle mit weniger als fünf Arbeitstagen pro Woche. „Viele Beschäftigte nutzen bereits Arbeitszeitmodelle, die weitgehend auf ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Ziel ist es, für beide Seiten optimale Lösungen zu finden“, so Stein.

Seit Jahren bestehe in vielen Bereichen die Möglichkeit gleitender Arbeitszeiten, auch in der Produktion, sofern sinnvoll umsetzbar. Besonders geschätzt werde eine tägliche Kernarbeitszeit von vier Stunden, die flexibel zwischen 6 und 20 Uhr erbracht werden könne. Zudem könnten Mitarbeitende im Rahmen der Gleitzeitregelung bis zu zwei Arbeitstage pro Monat als Freizeitausgleich nutzen. „So lassen sich individuelle Vier-Tage-Wochen umsetzen“, erläutert Stein.

In geeigneten Tätigkeitsbereichen sei es ergänzend möglich, bis zu 40 Prozent der Arbeitszeit mobil zu arbeiten. „Eine allgemeine Verdichtung der Arbeitszeit auf vier Tage wird vor diesem Hintergrund nicht als erforderlich oder zielführend angesehen“, so Stein. Die schnelle und flexible Reaktion auf Kundenwünsche erfordere eine hohe Verfügbarkeit, die auf einer effizienten Logistik und ausreichenden Produktionskapazitäten basiert. „Eine flächendeckende, starre Vier-Tage-Woche würde diesen Anforderungen aus Sicht der Brand Gruppe weniger gerecht werden als flexible, individuell gestaltete Arbeitszeiten und Teilzeitmodelle“, erläutert Stein die Nachteile.

Als „grundsätzlich interessant“, schätzt man das Konzept bei Adaptronic ein. „Allerdings können wir den möglichen Einfluss einer Vier-Tage-Woche auf die Wirtschaftlichkeit und die Mitarbeiterzufriedenheit noch nicht abschließend beurteilen“, lässt Stefanie Kempf vom Spezialisten für Prüftechnologie wissen. In diesem Jahr werde man die Überlegungen nicht weiterverfolgen.

Pink: Nachteile im internationalen Wettbewerb

Bei Pink Thermosysteme steht das Thema derzeit auch nicht auf der Agenda. „Als weltweit operierendes Unternehmen stehen wir im Wettbewerb mit vielen global operierenden Betrieben, deren Arbeitszeit- und Kostenstrukturen sich deutlich von denen in unserem Land unterscheiden“, so Finanzchef Hubert L. Günther.

Ein Blick in die Arbeitskostenstatistik der unterschiedlichen Länder zeige deutlich, „dass Deutschland einen erheblichen Wettbewerbsnachteil habe, den eine Vier-Tage-Woche gleichfalls nicht lösen dürfte“, gibt er zu bedenken.

Beim Metallverarbeitungsunternehmen Englert in Bettingen steht man dem Arbeitszeitmodell ebenfalls skeptisch gegenüber – vor allem, wenn es mit einer weiteren Arbeitszeitreduzierung verbunden wäre.

Dies würde der Wirtschaft mehr schaden als es Nutzen bringt, so Geschäftsführer Michael Englert. Er setzt eher auf Gleitzeitmodelle, die man vor geraumer Zeit in allen Bereichen eingeführt habe. Dies ermögliche allen Beschäftigten, sich ihre Arbeitszeit im Rahmen des Möglichen flexibel zu gestalten. Geleistete Mehrarbeit „kann jederzeit abgefeiert werden“, so Englert.

Hintergrund-Information: Studie der Uni Münster zur Vier-Tage-Woche

  • Wissenschaftler der Universität Münster haben im Rahmen einer deutschlandweiten Studie die Auswirkungen der Einführung einer Vier-Tage-Woche auf Unternehmen und Beschäftigte analysiert.
  • An der nicht repräsentativen Studie nahmen im vergangenen Jahr über einen Zeitraum von sechs Monaten 41 Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen teil – vom Dienstleistungssektor bis hin zur Produktion.
  • Die Mehrheit der Betriebe waren kleine (zehn bis 49 Beschäftigte) und mittelgroße Unternehmen (50 bis 249 Beschäftigte). Ein Drittel der Unternehmen reduzierte die Arbeitszeit um 20 Prozent, 20 Prozent verkürzten sie um 11 bis 19 Prozent, und 46 Prozent verringerten die Arbeitszeit um weniger als zehn Prozent. Die Löhne blieben unverändert.
  • „Die Vier-Tage-Woche führte zu einer signifikant positiven Veränderung der Lebenszufriedenheit, die sich hauptsächlich durch die zusätzliche Freizeit ergab“, sagt die Forscherin Julia Backmann zu den Ergebnissen.
  • Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum seien Umsatz und Gewinn unverändert geblieben, berichtet Julia Backmann über die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse.
  • Bei den Arbeitskräften verbesserte sich demnach die mentale und körperliche Gesundheit. Die Beschäftigten berichteten von weniger Stress und Burnout-Symptomen. Der Krankenstand reduzierte sich leicht, aber nicht signifikant.
  • Anders als bei ähnlichen Studien im Ausland gab es keine Hinweise darauf, dass die Vier-Tage-Woche das umweltbewusste Verhalten oder den ökologischen Fußabdruck positiv beeinflusst. „Beispielsweise zeigt sich eher, dass die Teilnehmer häufiger Inlandsreisen unternahmen als zuvor“, heißt es in einer Pressemitteilung. wei

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