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So machen sich Arbeitgeber attraktiver

Dez. 10, 2024 | Allgemein

An der Vier-Tage-Woche scheiden sich die Geister. Für viele Unternehmen sind sie mittlerweile aber mehr und mehr der „Unterschiedsmacher“ zur Konkurrenz. © dpa
Wenn eine Vier-Tage-Woche angeboten wird, steigert das das Interesse für potenzielle Bewerber. Das ist in Zeiten des Fachkräftemangels ein schlagkräftiges Argument.

Von Michael Fürst

Tauber-Odenwald. Ruhig ist es geworden in jüngster Zeit rund um das Thema „Vier-Tage-Woche“. Die erste große Aufregung hat sich offenbar gelegt. Doch heißt das auch, dass die Vier-Tage-Woche vom Tisch ist, sprich „angeschmeckt“ und als ungenießbar empfunden wurde? Man könnte es glatt meinen, denn die Suche nach Betrieben, die ihren Mitarbeitenden solch ein Arbeitszeitmodell anbieten, gestaltet sich in der Region schwierig.

Auch die beiden Industrie- und Handelskammern (IHK) Heilbronn-Franken und Rhein-Neckar können keinen Überblick geben. „Wir haben dazu keine Angaben aus den Unternehmen. Wir fragen das auch nicht ab. Mein Gefühl sagt mir aber auch, dass die Vier-Tage-Woche zu einem großen Teil für Handwerksbetriebe ein Thema ist“, sagt Andreas Lukesch, Leiter Marketing & Kommunikation und Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer Heilbronn-Franken, auf FN-Nachfrage. Dieser Eindruck täuscht mit Blick auf das Mosbacher Bau-Unternehmen Wirtz nicht – wie der SWR schon im August 2023 berichtete. In dem Beitrag wird Rainer Wirtz mit den Worten zitiert: „Die Leute wollen mehr Freizeit.“ Daraufhin entwickelte das Geschäftsführer-Ehepaar die Vier-Tage-Woche für das Bau-Unternehmen. Zudem wolle man in Zeiten des Fachkräftemangels durch die Vier-Tage-Woche attraktiver für potenzielle Bewerber werden.

Das war auch die Intention von Wolfram Fitz, der das Arbeitszeitmodell Vier-Tage-Woche seit knapp zweieinhalb Jahren in der Montage seines Unternehmens „wohnfitz“ anbietet. „In Zeiten des Fachkräftemangels können sich die Leute raussuchen, wo sie hingehen wollen“, sagt er im FN-Gespräch. Deshalb wollte er hier etwas Besonderes für Interessierte bieten. Mit Erfolg: Nach der Ausbildung im eigenen Betrieb sind fünf Mitarbeitende geblieben – auch wegen der Vier-Tage-Woche. Und die funktioniert bei „wohnfitz“ wie folgt: Jeden Tag wird in der Montage eine Überstunde gemacht, jeden zweiten Montag ist dann frei. Es ist also eine leicht abgewandelte Form des klassischen Ursprungsmodells.

Wolfram Fitz: „Es muss ein Geben und Nehmen sein“

An dieser Stelle hakt Matthias Schmitt, Geschäftsbereichsleiter Kommunikation und Marketing der IHK Rhein?Neckar, ein und erklärt: „Der Begriff Vier-Tage-Woche ist übrigens ziemlich verwirrend. Die einen meinen Betriebe, die wirklich nur an vier Tagen offen haben. Dann gibt es möglicherweise eine Verdichtung sowie Reduktion der Arbeitszeit. Es gibt Unternehmen, die das Mitarbeitern anbieten, und zwar unabhängig der Unternehmens-Betriebszeiten. Als Anspruch gibt es das sowieso, denn es gibt ja ein Recht auf Teilzeit, dann aber mit entsprechender Reduktion des Gehalts.“

So ist es auch bei Wolfram Fitz: Bei ihm gibt es quasi alle nur denkbaren Arbeitszeiten: von „geringfügig beschäftigt“ über 40-Prozent-Stellen und Vier-Tage-Woche bis zum Fulltime-Job. „Wir wollen sehr flexibel sein für die Mitarbeiter. Das steigert deren Zufriedenheit. Aber es muss ein Geben und Nehmen sein. Grundsätzlich bin ich kein Freund von der Forderung: ,weniger arbeiten und mehr verdienen’.“

Doch macht man sich als Unternehmen denn nicht erpressbar, wenn man im Grunde auf jedes Bedürfnis von Mitarbeitenden Rücksicht nimmt, sprich der vielzitierten „Work-Life-Balance“ zu viel Gewicht gibt? „Die Gefahr besteht natürlich. Aber schnell sind wir da wieder bei dem Punkt „Attraktivität für die Belegschaft“, sagt Wolfram Fitz.

Ergebnisse einer Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung, veröffentlicht 2023. © dpa


Gar nicht in Industrie und Handwerk, sondern in der Verwaltung wird die „Vier-Tage-Woche“ im Rathaus der Stadt Adelsheim angeboten, und zwar seit 1. August 2023 – zunächst einmal ausschließlich in der Verwaltung. Wer will, hat künftig freitags frei. An der tarifvertraglich festgelegten Arbeitszeit und Bezahlung ändert sich hingegen nichts. Eine Vier-Tage-Woche heißt nicht, dass weniger gearbeitet wird, eine Vollzeitstelle umfasst auch künftig 39 Wochenstunden. Vielmehr bedeutet dies, dass man seine Arbeit an vier Tagen pro Woche erledigen kann, wenn man statt 7,8 Stunden dann eben 9,75 Stunden pro Tag arbeitet.

Bürgermeister Wolfram Bernhardt sagt dazu im Gespräch mit den FN: „Es gibt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dieses Angebot wahrnehmen, dann aber auch gerne freitags kommen und ein paar Stunden lang konzentriert und in Ruhe ein paar Dinge wegarbeiten, da das Rathaus an diesem Tag geschlossen hat.“ So arbeite nicht jeder 9,75 Stunden vier Tage lang, was Bernhard auch als „sehr sportlich“ betrachtet. Das Stadtoberhaupt betont aber noch einmal, dass durch dieses Arbeitszeitmodell nicht weniger, sondern gleichviel gearbeitet werde.

Gesetzliche Höchstarbeitszeit: 10 Stunden pro Tag

Da die gesetzlich vorgeschriebene tägliche Höchstarbeitsgrenze bei zehn Stunden liegt, sieht man rein rechnerisch, dass diese Reduzierung der Arbeitswoche nur für Angestellte möglich ist, für Beamte jedoch nicht – denn diese müssen 41 Stunden pro Woche arbeiten.

Übrigens: Während man in Deutschland über die Vier-Tage-Woche diskutiert, wurde in Griechenland in diesem Jahr der umgekehrte Weg eingeschlagen. Es wurde die Sechs-Tage-Woche eingeführt. Sie ist Griechenlands Antwort auf den Fachkräftemangel im Land, den es in erster Linie seit der Finanzkrise von 2010 bis 2018 gibt. Dagegen ist in Belgien die Vier-Tage-Woche seit dem Februar 2022 gesetzlich verankert.

Vor- und Nachteile der Vier-Tage-Woche

Pro

  • Arbeitnehmer, die die Vier-Tage-Woche in Anspruch nehmen haben mehr Zeit für sich, Familie und Freunde.
  • Längere Wochenenden sind möglich.
  • Mehr Zeit für Hobbys – dadurch größere Ausgeglichenheit des Mitarbeitenden und damit höhere Motivation für den Job.
  • Wenn Mitarbeitende zu ihrem Arbeitsplatz fahren müssen, so entstehen für sie mit nur vier Tagen Arbeit in der Woche weniger Fahrtkosten.

Kontra

  • Arbeitsverdichtung, sprich den Druck, in kürzerer Zeit das gleiche Maß an Arbeit bewältigen zu müssen.
  • Studien belegen: Nach fünf bis sechs Stunden lässt die Konzentrationsfähigkeit des Menschen nach.
  • Lange Arbeitstage machen müde, und somit steigt das Risiko für Erschöpfung und Burnout und andere Krankheiten.
  • Da sich die Anzahl der Urlaubstage aus den Arbeitstagen pro Woche ergibt, verringert sich also auch der Urlaubsanspruch der Mitarbeitenden.
  • Die Vier-Tage-Woche führt schon nach 20 Jahren zu einer um mehr als 150 Euro niedrigeren Rente.

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