Das neue Logistik- und Fertigungszentrum von Weinig in Tauberbischofsheim nimmt immer mehr Formen an. Doch wie geht es dem Unternehmen ganz allgemein? Ein Interview mit CEO Gregor Baumbusch ber Lust auf Leistung, Mindestanforderungen an Politiker und Whiskeyfässer ohne „Angel Share“.
Von Sabine Holroyd
Herr Baumbusch, in unserem letzten Interview sagten Sie: „Ich bin Realist, aber auch Optimist.“ Hat sich daran etwas geändert?
Gregor Baumbusch: Definitiv nicht. Ich bin überzeugt, dass sich das Thema Bauen mit Holz mittel- und langfristig sehr gut entwickeln wird. Es fehlt an Wohnraum, es wird nach wie vor gebaut – aber viel mehr mit Holz. Dass sich der Maschinenbau momentan in einer schwierigen Situation befindet, ist bekannt. Aber selbst da ist Weinig besser. Wir sind im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, vergleichen uns generell mit dem allgemeinen Maschinenbau und auch mit der Holzbearbeitungsbranche.Gregor Baumbusch und das Fass aus Louisville.
Nach den VDMA-Zahlen hat die Holzbearbeitung im Vergleich zum Vorjahr im Auftragseingang einen Rückgang von zirka zwölf Prozent verzeichnet. Wir liegen im Vergleichszeitraum bei plus zehn Prozent. Die Auftragszusammensetzung änderte sich leicht – wir haben weniger Standardaufträge –, aber das wird sich normalisieren. Auch der Investitionsstau wird sich wieder geben.
Da wir weltweit aktiv sind, können wir das relativ gut ausgleichen. Der Industriesektor läuft nach wie vor stark: In China haben wir gerade ein schönes Projekt mit einem Auftragsvolumen von rund 30 Millionen Euro gewonnen. Nachhaltigkeit ist dort ein riesen Trend. Auch in den USA haben wir viele Projektgeschäfte. Augenblicklich befinden wir uns über unserem Forecast. Die Prognose vom Internationalen Währungsfonds geht für 2024/25 von einem stabilen Wachstum in Höhe von rund drei Prozent aus.
Die Stimmung im deutschen Maschinen- und Anlagenbau soll sich Umfragen zufolge aber weiter verschlechtert haben . . .
Baumbusch: Wir Deutschen sind entweder hellauf begeistert oder zu Tode betrübt. Ich sehe eher die Chancen, die es gibt und die wir nutzen müssen. Wir wollen überzeugen, dass wir der richtige Partner sind.
Sie sind viel im Ausland unterwegs. Wie beurteilt man dort Ihrer Erfahrung nach die Entwicklung der deutschen Wirtschaft?
Baumbusch: Deutschland ist nach wie vor ein guter und starker Wirtschaftsstandort. Aber man muss schauen, dass das auch so bleibt. Die Welt betrachtet uns zwar nicht als schwache Wirtschaftsnation, aber man wird schon öfters mal gefragt, was denn bei uns los sei.
Wir erscheinen teilweise blass und eher als Verwalter denn als Akteur. Auch wie wir uns momentan in der Welt präsentieren, ist nicht gut. Wir dürfen nicht an unserer Performance und Stärke verlieren. Deutschland und Frankreich sind der Motor Europas.
Wenn der schwächelt, dann schadet es der gesamten EU.
Angenommen, der nächste deutsche Wirtschaftsminister hieße Gregor Baumbusch. Was würden Sie ändern?
Baumbusch: Grundsätzlich bin ich überhaupt kein Politiker – ich bin ein geradliniger Manager mit einer ausgeprägten Unternehmermentalität. Ich mache mir viele Gedanken über die Situation Deutschlands. Ich denke, wir haben in den letzten 20, 30 Jahren unsere Kultur geändert. Die Erziehung hat sich gewandelt. Meine Eltern gehören der Nachkriegsgeneration an. Da war ganz klar, dass man arbeiten muss, um etwas im Leben zu erreichen. Der frühere Weinig-Personalleiter Bernhard Kuhn hat schon vor 20 Jahren gesagt, dass wir Lust auf Leistung brauchen. Aber die ist uns abhandengekommen.
Wie können wir denn glauben, dass wir mit immer weniger eigener Leistung unseren Wohlstand erhalten? Der Staat finanziert sich über die Steuern. Wenn das Ziel lautet, die Wirtschaftskraft langfristig und nachhaltig zu sichern und auszubauen, dann müssen die Steuereinnahmen passen, und zwar nicht durch Lohnerhöhungen, sondern durch Wirtschaftsleistung – indem man es schafft, viele Leute in Arbeit zu bringen, zu halten, und indem man innovativ ist.
Anders wird der Sozialstaat auf lange Sicht nicht mehr finanzierbar sein. Ich vermisse hier charismatische Politiker, die Probleme auch offen ansprechen. Schmidt, Genscher und Kohl haben auch mal unangenehme Sachen gesagt.
Heute dagegen ist offenbar die Zufriedenheit jedes Einzelnen wichtig. Aber so funktioniert das nicht. Erst wenn jeder versteht, wie ein Staat funktioniert, worauf es ankommt und was die Rolle jedes Einzelnen in diesem Konstrukt ist, wird sich etwas ändern.
Das ist aber auch eine klare Absage an Themen wie Work-Life-Balance und Vier-Tage-Woche.
Baumbusch: Wenn wir es uns leisten können, bin ich sogar ein großer Freund davon. Aber Deutschland verhält sich wie ein Goldfisch im Glas, in dem wir herumschwimmen und uns nur um uns selbst kümmern. Wenn wir es schaffen, in vier Tagen so viel besser und effizienter zu sein als unsere Mitbewerber, bin ich gleich dabei. Doch im internationalen Wettbewerb ist es unmöglich, das hinzubekommen.
Gibt es die Kurzarbeit bei Weinig noch und wie lange soll sie andauern?
Baumbusch: Kurzarbeit ist notwendig, um die Kapazitätsschwankungen in verschiedenen Unternehmensbereichen auszugleichen. Wir sind in der Gruppe gerade dabei, über eine intelligente Operationsstrategie die Werke kontinuierlich auszulasten. Das wird uns helfen. Die Kurzarbeit müssen wir nutzen, denn wir wollen es ja nicht so machen wie andere, die viel Geld in den Personalabbau stecken. Wir investieren unser Geld lieber in den Ausbau des Produktportfolios und die Effizienzsteigerung unserer Produktionsstandorte.
Einige Bereiche wie etwa das Fenstersegment haben wir bereits aus der Kurzarbeit herausgenommen, weil wir einige Großaufträge bekommen. Es wird zwar weniger gebaut, dafür werden aber viele alte Gebäude saniert. Da ist jetzt Sonderkonjunktur, und wir arbeiten voll. Am Band 1 bei den Profilierautomaten sind wir unterausgelastet und werden weiter kurz arbeiten. Wenn wir wieder genug Aufträge haben, werden wir auch da wieder Vollgas geben. Umsatz generieren ist immer besser als Kurzarbeit zu machen. Auch in den indirekten Bereichen machen wir Kurzarbeit, nicht aber im Service.
Ich freue mich, dass sich alle unsere leitenden Angestellten an der Kurzarbeit beteiligen. Das ist ein tolles Zeichen und zeigt den Zusammenhalt in unserem Unternehmen.
Eine Alternative wäre, Personal abzubauen. Das wollen wir nicht, weil wir glauben, dass die Wirtschaft spätestens Ende des Jahres wieder anziehen wird. Wir haben Gesellschaften in Polen und Italien gegründet. In den USA haben wir eine neue Produktionshalle gemietet, in der wir Automationen bauen. Nur dann, wenn die Kunden ihr schwer verdientes Geld bei uns investieren, haben wir einen guten Job gemacht. Und das fängt beim Vertrieb an.
Wie halten Sie Ihre Mitarbeiter bei Laune?
Baumbusch: Ganz einfach: Wir bieten langfristig einen sicheren, guten Arbeitsplatz in einer tollen Branche. Ich komme ja aus der Automobilzuliefererindustrie. Wie wir bei Weinig unsere Mitarbeiter behandeln und gemäß dem Entgelt-Rahmenabkommen einstufen, ist viel besser als in anderen Industrien. Das machen wir auch gerne, solange wir erfolgreich sind. Für jeden muss klar sein: Es braucht auch Leistung, damit wir das alles erhalten können. Unser Motor sind die Industrie und der Mittelstand. Beides darf nicht kaputtgemacht werden.
Was meinen Sie konkret?
Baumbusch: Diejenigen, die in Berlin über unsere Zukunft bestimmen, sollten einen Ticken cleverer sein. Wenn wir bei Weinig jemanden einstellen, dann haben wir eine klare Rollenbeschreibung. Da gibt es Grundvoraussetzungen, die zu erfüllen sind.
Die Bewerber müssen eine gewisse Qualifizierung vorweisen und einer Mindestanforderung entsprechen. Das ist wie ein Quality Gate. Ich kann nur anregen, so etwas auch für Politiker zu etablieren: nämlich, dass es Mindestanforderungen gibt an das, was man sowohl gesamtwirtschaftlich als auch von der Sozialkompetenz her können und verstehen sollte. Politiker müssten auch eine gewisse Erfahrung mitbringen, so dass man darauf vertrauen kann, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen. In keinem Unternehmen kann jemand ohne Qualifikation an solch einen Job kommen. Die Politiker sollten auch für das, was sie beschließen, verantwortlich gemacht werden können. Sie denken ja nur in Wahlperioden, entscheiden, was ihnen gerade einfällt oder was dem Zeitgeist entspricht.
In der Wirtschaft dagegen sind wir verantwortlich für unser Tun und unsere Mitarbeiter. Das könnten sich Politiker einmal von der Wirtschaft abschauen.
Was geht in Ihnen vor, wenn Sie vor dem neuen Logistik- und Fertigungszentrum stehen?
Baumbusch: Schon immer habe ich nach vorne gedacht und in meinen früheren Tätigkeiten bereits etliche Unternehmen entwickelt – aber solch ein Projekt durfte ich noch nie verantworten. Es macht mich stolz, dass wir so etwas Gigantisches auch von unseren Shareholdern genehmigt bekommen haben. Das beweist, dass wir in den vergangenen Jahren eine gute Entwicklung hingelegt haben. Das Projekt erfüllt mich zudem mit Ehrfurcht. Wenn man sieht, wie gewaltig das ist, hat man schon auch Respekt davor.
Es ist natürlich eine Herausforderung für das Unternehmen, weil es viel Kapazität bindet, aber ich bin gespannt und freue mich, wenn es in Betrieb geht. Das wird ein wirklicher Fortschritt für das Unternehmen und die gesamte Gruppe, schließlich bildet es dann das zentrale Fertigungswerk von Weinig.
Wir glauben einfach an den Standort Tauberbischofsheim. Wenn jeder Lust auf Leistung hat, kann man hier gegen jede Region der Welt wettbewerbsfähig sein und bleiben. Dazu ist diese hochautomatisierte Technologie, die wir hier einsetzen werden, nötig.
Bleiben Sie Weinig erhalten?
Baumbusch: Weinig passt einfach zu mir. Als ich hier 2014 startete, hatten wir einen Umsatz von 320 Millionen Euro. 2023 lag er bei 560 Millionen Euro – und das aus eigener Kraft. Ohne Corona wäre es noch viel besser gewesen. Wir wachsen schneller als die Branche – was will man mehr? Wir haben das Unternehmen im Team sehr gut entwickelt.
Natürlich möchte man dann auch sehen, wie es performt und wie es weitergeht. Ich bin Maschinenbauer durch und durch, fühle mich hier wohl, habe keine Ambitionen, etwas anderes zu machen und gehe gern die nächste Challenge mit Weinig an. Weinig ist – vor allem auch durch seine Mitarbeiter – ein tolles Unternehmen.
Was hat es eigentlich mit dem Fass im Foyer auf sich?
Baumbusch: Das ist mein Lieblingsprojekt! (lacht) Dieses Fass stammt von der Brown Forman Holding, der Muttergesellschaft von Jack Daniels. Dessen Destillerie und Fassproduktion befinden sich in Louisville, Kentucky. 2018 war ich erstmals dort. Da diskutierten wir über eine vollautomatische Linie für Whiskeyfässer. Eine Fass-, Dauben- und Deckellinie für 20 Millionen Euro kam dabei heraus. Auf insgesamt fünf Linien stellen Weinig-Maschinen vollautomatisch die Fassdauben her, so dass sie hinterher nur noch zum Fass zusammengefügt werden. Alle Produkte und Werke der Weinig-Gruppe waren dabei involviert.
Unsere Maschinen produzieren dort im Dreischichtbetrieb 3000 Fässer pro Tag und helfen so mit, dass dieser Hersteller jeden Tag über Fässer für rund 477 000 Liter Whiskey verfügt. Mit unserer Produktion haben wir es auch geschafft, den so genannten „Angel Share“, die Verdunstung des Whiskeys, zu reduzieren.
Die früheren Fässer waren sehr undicht. Jetzt sind die Engel traurig, aber da kann ich auch nichts dafür. Die gebrauchten Fässer sind weit über das Geschäft von Jack Daniels hinaus in aller Welt verstreut, viele Produkte, so auch Tabasco, werden darin produziert.
Wir bekamen dieses Fass aus Louisville geschickt. Allerdings musste es aus steuerlichen Gründen leer sein.
Über ein volles Fass hätten wir uns noch mehr gefreut und damit ein schönes Sommerfest gefeiert (lacht).