Jürgen und Michael Kuhn wollen 2027 ihr Unternehmen in Höpfingen an ihre Söhne Janis und Peter übergeben. Ein Beispiel für eine gelungene Nachfolgeregelung innerhalb der Familie.
Von Martin Bernhard
Höpfingen. Das hätte Franz Xaver Kuhn sicher gefreut: Seine Urenkel Janis (28 Jahre) und Peter (33) schicken sich an, das von ihrem Urgroßvater 1926 in Höpfingen gegründete Unternehmen zu übernehmen. Aus der damaligen Spenglerei ist im Laufe der Jahrzehnte eine international tätige Firma mit rund 180 Mitarbeitern geworden. Maschinen für Abwasserreinigungsanlagen aus Höpfingen befinden sich nicht nur in Europa, sondern auch in Asien, Nord- und Südamerika, Afrika, Australien und Neuseeland. Die Väter der beiden, die Cousins Jürgen und Michael, hatten 1997 das Familienunternehmen mit damals rund 60 Beschäftigten von ihren Vätern übernommen. Jetzt also steht die vierte Generation in den Startlöchern. Dass es eine Nachfolge innerhalb der Familie geben würde, war lange Zeit ungewiss. Der Prozess, der in zwei Jahren zur Unternehmensübergabe führen soll, erstreckt sich über mehrere Jahre.
Eine Sachwaschanlager der Firma Kuhn vor Schweizer Bergen. Das Unternehmen stellt Maschinen für Abwasserreinigungsanlagen her. © Firma Kuhn
Den beiden Vätern war es wichtig, ihren Kindern bei ihrer Berufs- und Lebensplanung vollkommen freie Hand zu lassen. „Ich habe versucht, von meinen Kindern den Druck zu nehmen, die Firma übernehmen zu müssen“, sagt Michael Kuhn im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten. Sein Cousin Jürgen handelte genauso. „Nach dem Abi wollte ich nicht in die Firma gehen, weil alle das erwartet hatten“, erinnert er sich. „Ich habe zuerst Ernährungswissenschaften studiert, dann Elektrotechnik. Das war gut so. Deshalb habe ich meinen Kindern gesagt: Ihr müsst nicht in die Firma gehen.“
Zunächst war keine familieninterne Nachfolge in Sicht
Und so sah es zunächst danach aus, als würde es für die Firma Kuhn keine Nachfolgeregelung innerhalb der Familie geben. Die drei Kinder von Michael und die Zwillinge von Jürgen verfolgten ihre eigenen beruflichen Pläne und studierten Fächer, die nichts mit Abwassertechnik zu tun hatten. Jürgen und Michael erhielten mehrmals im Jahr Anfragen von Interessenten, die die Firma kaufen wollten. Sogar aus San Francisco (USA) war eine Delegation angereist.
Die beiden Unternehmer nahmen sich vor, 2027, wenn beide das 65. Lebensjahr vollenden würden, in den Ruhestand zu gehen. Mindestens fünf Jahre Einarbeitungszeit wollten sie ihren möglichen Nachfolgern geben. Also musste eine Entscheidung über die Zukunft des Familienunternehmens spätestens 2022 getroffen werden. „Wenn bis zu diesem Zeitpunkt sich keine Nachfolgeregelung abgezeichnet hätte, hätten wir das Unternehmen verkauft“, sagen die beiden Geschäftsführer.
2019 riefen die Brüder erstmals ihre beiden Familien zusammen, um über die Zukunft der Firma zu sprechen. Sie beauftragten eine auf Nachfolgeregelungen spezialisierte Unternehmensberatung. „Das Nachfolgethema ist riesig“, sagt Michael Kuhn. „Das hat rechtliche, steuerliche und gesellschaftliche Komponenten.“ Die zentrale Frage für die beiden Brüder war allerdings: „Können das die jungen Leute überhaupt? Halten die den Druck als Unternehmer aus?“ Die Beraterin führte Gespräche mit den fünf Kindern und stellte fest, dass alle geeignet wären. Letztlich entschieden sich Janis und Peter dafür, die Firma zu übernehmen. Der Beratungsprozess erstreckte sich über etwa zwei Jahre.
Während Coronazeit die Berufswahl hinterfragt
Janis arbeitete zu diesem Zeitpunkt schon bei Kuhn. Er hatte an der Uni Heidelberg einen Bachelor-Abschluss in Politik- und Kommunikationswissenschaften erworben. Eigentlich wollte er für eine Nichtregierungsorganisation oder Partei tätig werden. Während der Coronazeit hinterfragte er seine Berufswahl. 2021 kehrte er nach Höpfingen zurück, um bei der Firma Kuhn zu arbeiten. „Als ich einstieg, war nicht klar, dass ich langfristig bleiben würde“, sagt er. Zuerst war er im Vertrieb tätig, dann unterstützte er bei einer unternehmensinternen Umstrukturierung. Jetzt ist er als Assistent der Geschäftsleitung für die Bereiche „Interne Dienstleistungen“ und „Personal“ zuständig.
Peter hatte nach seinem Abitur 2011 einen Bachelorstudiengang im Maschinenbau in München abgeschlossen und anschließend einen Mastertitel in Wirtschaftsinformatik in Mailand erworben. Fünf Jahre lang forschte er an einem Institut in München im Bereich Wirtschaftsinformatik. Am 1. Januar 2024 stieg er bei der Firma seines Vaters und dessen Cousins ein. Er verantwortet mit einem Kollegen den Bereich Produktion und Montage. „Wir sorgen dafür, dass die Maschinen nicht stillstehen“, erläutert er. „Die Firma zu übernehmen, war nicht schon immer mein Plan“, sagt er. „Aber es war eine Option. Ich habe das Thema immer mitgedacht.“
Nach den Worten von Janis und Peter haben sie offen mit ihren Geschwistern über die Zukunft der Firma gesprochen. „Wir haben uns über einen langen Zeitraum hinweg mit beiden Familien darüber unterhalten, wer das Unternehmen bekommen soll“, erläutert Peter. „Es gab keine Konflikte. Wir haben das mit Wohlwollen gelöst.“ Beide hätten sich bewusst für den Eintritt in das Unternehmen entschieden. „Es gab keinen Druck von unseren Vätern“, betonen sie. „Als Kinder sind wir über den Firmenhof gesprungen“, sagt Janis. „Wir haben hier Ferienjobs während des Studiums gemacht. Wir kennen die Menschen hier.“ Deshalb bestehe eine emotionale Bindung zu dem Unternehmen, seinen Mitarbeitern und der Region.
Das Familienleben als Unternehmerkinder haben die beiden nicht als negativ wahrgenommen, sondern als anders. „Die Väter unserer Freunde kamen um vier oder fünf Uhr nachmittags nach Hause, unsere um sechs oder halb sieben.“ Sie nahmen wahr, dass ihre Väter einen großen Gestaltungsspielraum in der Firma hatten, dass ihre Arbeit sehr erfüllend war, mit großer Verantwortung. „Ich kenne das nicht, dass man nach Hause geht, weil die Arbeitszeit abgelaufen ist“, ergänzt Janis. Sie hätten ihre Väter in der Familie aber nie als abwesend wahrgenommen.
Doch auch Schattenseiten haben die künftigen Unternehmer kennengelernt: „Ich kenne keine Urlaube, in denen nicht das Handy klingelte. Und auch an Wochenenden wurde über die Firma geredet“, sagt Janis. In den Jahren 2008 und 2009, während der Finanzkrise, habe er sich – damals 13 Jahre alt – nichts sehnlichster gewünscht, als dass seine Eltern verbeamtet wären.
Von den Mitarbeitern in dem Unternehmen fühlen sich die beiden gut angenommen. Während sich Janis als Branchenfremder erst hocharbeiten musste, brachte Peter als Maschinenbauingenieur und Wirtschaftsinformatiker Berufserfahrung mit. „Wir wollen Veränderungen aktiv vorantreiben, aber in der richtigen Geschwindigkeit“, sagt Janis. „Dass das angenommen wird, zeigt, dass wir eine große Akzeptanz unter den Mitarbeitern haben.“ Peter arbeitet meist mit Janis‘ Vater zusammen. „Es ist sehr bereichernd, mit jemandem zu arbeiten, der so viel Erfahrung hat“, stellt er fest. Janis hat in der Firma überwiegend mit seinem eigenen Vater zu tun. „Wir müssen darauf achten, dass wir zu Hause nicht ständig aufs Handy schauen“, sagt er. „Wir nehmen sehr viel von unseren Vätern mit. Aber wir müssen es anders machen, weil wir eine andere Generation und andere Typen sind“, ergänzt Peter.
Dass die beiden Großcousins gut miteinander auskommen, habe sich während des Beratungsprozesses gezeigt. „Wir haben ein Gefühl dafür bekommen, dass es funktioniert“, sagt Peter. Nach gut einem Jahr der Zusammenarbeit stellt er fest: „Wir haben die richtige Grundlage und ein gutes Vertrauensverhältnis.“
Nachfolger sollten ihre Arbeitsbereiche gut abgrenzen
Das sehen auch ihre beiden Väter so. „Peter und Janis stellen sich gut an“, sagen die beiden. „Sie sind beide sehr engagiert. Das kommt bei den Mitarbeitern gut an.“ Wenn Janis und Peter die Firma 2027 übernehmen, sei es unerlässlich für sie, Zuständigkeiten festzulegen, Arbeitsbereiche abzugrenzen und die Arbeitsbelastung gleichmäßig aufzuteilen. „Es ist wichtig, dass beide gleichberechtigt agieren“, stellen Jürgen und Michael Kuhn fest. Sie sind zuversichtlich, dass das funktionieren werde. Nach der Übergabe wollen sich die beiden aus dem Unternehmen zurückziehen und nur dann beraten, wenn sie gefragt werden.
Die Seniorchefs empfehlen ihren Nachfolgern, keine geschäftlichen Mails im Urlaub zu lesen und außerhalb der Firma Abstand von der Arbeit zu nehmen. Janis lebt im selben Haus wie sein Vater. „Es kann sein, dass er um 22 Uhr zu mir kommt, um etwas Geschäftliches zu besprechen“, sagt Jürgen Kuhn. Das wird sich ändern müssen.