Der gesperrte Gehweg in der Unteren Vorstadtstraße in Walldürn ist erst der Anfang eines umfangreichen Projekts. Das Abbruchunternehmen Leis plant den selektiven Rückbau alter Gebäude und schafft so Raum für neue Entwicklungen.
Von Stefanie Čabraja
Der Gehweg in der Unteren Vorstadtstraße ist bereits seit längerem gesperrt. Bauzäune versperren den Durchgang und ein Schild verweist darauf, den Bereich zu umgehen. Der Gehweg ist zur Sicherheit der Fußgänger eingezäunt – nicht, weil der Boden instabil wäre oder tiefe Schlaglöcher Stolperfallen darstellen würden. Von den Häusern, die unmittelbar an den Gehweg grenzen, gehen Gefahren aus, wie herabfallende Dachziegel.
In der vergangenen Sitzung des Ausschusses für Technik und Umwelt vergab das Gremium den Auftrag an das Unternehmen „Leis Abbruch und Recycling“ aus Walldürn. Heißt also: Her mit der Abrissbirne und die vier Häuser einfach klitzeklein in mehrere tausend, wenn nicht sogar Millionen Teile schlagen. Genau das heißt es jedoch nicht, wie Geschäftsführer Michael Leis im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten informiert.
„Die Vorbereitung ist das Wichtigste“, betont Leis. „Wir erstellen ein Entsorgungskonzept mit allen Materialien. Das heißt, wir schauen uns die Gebäude an und stellen fest, welche Materialien verbaut sind. Dann wird organisiert, wo die verschiedenen Materialien entsorgt werden oder was wiederverwertbar ist“, erklärt er. Dabei werde auch zwischen schadstoffhaltigen und -freien Materialien differenziert. Für die Ermittlung der Schadstoffe werden Proben entnommen und untersucht. „Dazu werden Bohrungen in den Wänden vorgenommen und ein Schadstoffgutachten erstellt“, erläutert der Geschäftsführer. Der Vorgang wird als selektiver Rückbau bezeichnet. „Die Gebäude werden bis auf den Rohbau entkernt. Dann werden alle Schadstoffe entfernt. Erst wenn alle Schadstoffe weg sind, kommt der Bagger“, ergänzt er.
Zu den bekanntesten Schadstoffen zählen beispielsweise Asbest, Wolle aus Künstlichen Mineralfasern (KMF), Pentachlorphenol (PCP) sowie andere Kohlenwasserstoffe. „Die Stoffe treten zum Beispiel in Spachtelmasse auf“, so Leis. Manchmal werden Schadstoffe auch erst während des Abbruchvorgangs gefunden. Unbekannte und unerwartet auftretende Stoffe werden als Probe in ein Labor geschickt und die Ergebnisse abgewartet.
„Leis Abbruch und Recycling“ hat sich vor über 30 Jahren auf Abrissarbeiten spezialisiert. Aktuell sind etwa 30 Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt, und es wurden bis heute über 2000 Abbrüche ausgeführt. Die Firma agiert in den Bereichen der Industrie-, Gebäude-, und Spezialabbrüche sowie bei Brandschaden-, Altlasten- und Schadstoffsanierungen.
Umwelt im Fokus
Auch das Thema Umwelt spielt bei Gebäudeabbrüchen eine Rolle. „Nachhaltiges Handeln ist zu einem essenziellen Bestandteil der modernen Gesellschaft geworden. Deshalb gehört zu unseren Leistungen nicht nur der Abbruch, sondern auch das Recycling“, heißt es in dem Firmen-Exposé. So wird Bauschutt noch vor Ort aufbereitet und andere Materialien aufgefangen, um sie wiederzuverwerten. Dazu gehören Mauerwerk und Beton.
Etwa 30 Prozent sind bei einem Abbruch recycelbar, wobei die Zahl von Gebäude zu Gebäude variiert. „Fertighäuser und Bauwerke aus Ytong können nicht recycelt werden“, fügt Leis hinzu. Auch die Bodensanierung oder Revitalisierung von Industriegeländen zählen zu den Aufgaben des Unternehmens. Dabei werden die Flächen wieder baureif gemacht.
In der Summe sei jeder Auftrag eine Herausforderung für sich. „Jeder Abbruch ist anders. Keiner ist wie der andere. Und jeder ist für sich herausfordernd“, sagt Leis. Dennoch fallen dem Unternehmer drei schwierige Situationen ein. Zum einen war der Abbruch des Kinos in Buchen durch die Nähe zum Nachbargebäude schwierig. „Dort haben wir einen Abbruchvorhang hinhängen müssen. Das ist ein Vorhang, zehn auf zehn Meter, aus Gummibändern. Diese schützen das Nachbargebäude vor herabfallenden Teilen“, erklärt Leis.
Zum anderen hat die Firma bei Iphofen eine über 10 000 Quadratmeter große Halle abgebrochen. „Die Schwierigkeit lag darin, dass direkt daneben eine ICE-Strecke verlief. Wenn die Züge vorbeigerauscht sind, bestand immer die Gefahr, dass der Sog Material anzieht“, erinnert sich der Geschäftsführer. Das dritte herausfordernde Projekt seien Brennöfen in Bollschweil gewesen. „Die 70 Meter hohen Öfen mussten gesprengt werden. Hier bestand die Gefahr, dass das Bauwerk in die falsche Richtung fällt“, erklärt er. Bei Sprengungen zieht das Unternehmen einen Statiker sowie Spreng-Spezialisten hinzu.
Michael Leis sieht jedoch größere Herausforderungen in der Abbruchbranche, ohne einzelne Projekte zu betrachten. „Die Deponien werden immer teurer und damit die Entsorgung der Materialien. Privatleute können sich einen Abbruch fast nicht mehr leisten“, betont er. „Vor etwa zehn Jahren hat der Abbruch eines normalen Wohnhauses etwa 25 000 Euro gekostet. Heut liegt der Preis mit etwa 50 000 Euro beim Doppelten“, sagt er.
Die Zukunft der Abbruchbranche sei jedoch eine sichere Sache. „Es wird wieder mehr innerstädtisch gebaut. Wir machen Platz für die Zukunft. Wir reißen die alten Gebäude ab, damit Platz für neue ist“, fasst er zusammen.