Die höheren Kosten belasten exportorientierte Firmen in der Region, die auf Flexibilität setzen. Doch für einige liegt in der Krise auch eine Chance.
Von Diana Seufert und Heike von Brandenstein
Main-Tauber-Kreis. Zölle verhängen, dann wieder aussetzen oder Erleichterungen ankündigen: US-Präsident Donald Trump sorgt seit seinem Amtsantritt vor 100 Tage für Unruhe bei den Unternehmen. Sein Ziel: die heimische US-Wirtschaft zu stärken, indem er ausländische Produkte mit Strafzöllen überzieht. Auch die EU bleibt davon nicht verschont. Die Fränkischen Nachrichten fragten bei exportorientierten Unternehmen in der Region, wie sich diese aggressive Politik bemerkbar macht.
Mafi Trepel aus Tauberbischofsheim ist direkt von den Zöllen betroffen, sieht aber auch Chancen. Produkt-Manager Julian Großkinsky schreibt uns: „Wir sind ein stark exportorientiertes Unternehmen und führen 85 Prozent unserer Produktion aus. Knapp 20 Prozent der Gesamtproduktion geht in die USA, vor allem an Flughäfen und Seehäfen, aber auch in die Stahlindustrie. Zusätzlich versorgen wir den amerikanischen Markt mit Ersatzteilen.“ Er sieht durch das Agieren des US-Präsidenten sogar Chancen auf dem US-Markt „aufgrund einer neuen Gesamtsituation“. Es gebe nur wenige amerikanische Konkurrenten und der große chinesische Wettbewerber im Flughafenumfeld kämpfe mit Zöllen von 145 Prozent. Da die US-Anbieter die Ausfälle nicht auffangen können, entstünden Freiräume. „In diese werden wir mit unseren Fahrzeugen vorstoßen. Deshalb verfolgen wir trotz der Zölle unsere aktuelle Wachstumsstrategie konsequent weiter.“
„Welche Szenarien spielen Sie für Ihr Unternehmen durch und welche Auswirkungen haben diese auf die Beschäftigten in Ihrem Unternehmen“, wollten die FN wissen. „Zentral ist eine globale Beschaffungsoffensive. Dieses Mehrfach-Sourcing ist aufwendig, aber zielführend.“ Man wolle neue Partnerschaften bei der Montage der Produkte aufbauen, auch in Amerika. So steige die Wertschöpfung vor Ort, die von den Zöllen nicht betroffen ist. „Da wir unseren Wachstumskurs unter den neuen Bedingungen fortsetzen, benötigen wir alle Beschäftigten auch in der aktuell schwierigen Situation.“ Ob er einen Handelskrieg befürchtet? Für Julian Großkinsky ist die Lage „unübersichtlich und stark schwankend“. Es sei kaum absehbar, wie sie sich global entwickle. Daher müsse man flexibel bleiben. „Die Situation hat keine wirtschaftlichen Gründe, sie ist allein durch politische Entscheidungen entstanden. Alle wirtschaftlichen Entscheider müssen die Politik immer wieder an ihre Verantwortung erinnern, sich für ein regelbasiertes globales Wirtschaften einzusetzen.“
Auch bei den VS in Tauberbischofsheim nimmt man die Situation sehr ernst, wie Geschäftsführer Philipp Müller deutlich macht. „Die USA sind unser wichtigster Exportmarkt, wir sind dort mit einer eigenen Vertriebstochter vertreten und insofern von den Zöllen betroffen.“ Diese Mehrkosten belasten nicht nur das Unternehmen, sondern auch amerikanische Hersteller, da sie Materialien und Komponenten aus Fernost importieren.
Zölle problematisch, aber noch nicht kritisch
Für Müller spiegelt das die Widersprüchlichkeit der Maßnahme wider. „Der Effekt der Zölle ist derzeit für die VS zwar problematisch, aber nicht kritisch.“ Das Agieren der US-Administration sei so unberechenbar, dass man keine konkreten Maßnahmen planen könne. Auswirkungen auf die Beschäftigten habe die US-Handelspolitik nicht. „Außer natürlich, dass bestimmte Fachabteilungen viel Aufwand betreiben müssen, um auf die Zölle der USA zu reagieren und deren negativen Effekt auf uns zu minimieren.“ Von einem Handelskrieg oder einer weltweiten Wirtschaftskrise geht er nicht aus. Aber die Weltwirtschaft werde zukünftig weniger stark wachsen oder stagnieren, so Müller.
„Die angekündigten US-Zollerhöhungen betreffen Lauda erheblich, da unsere US-Tochtergesellschaft Lauda-Brinkmann jährlich Waren im Wert von etwa 3,7 Million Euro aus unseren europäischen Produktionsstandorten Lauda-Königshofen, Burgwedel und Terrassa/Spanien sowie rund 300.000 Euro von unserer Tochtergesellschaft Lauda Production China importiert“, macht Dr. Gunther Wobser, Geschäftsführender Gesellschafter beim Weltmarktführer für Temperiergeräte Lauda aus Lauda-Königshofen deutlich. Bei vollständiger Umsetzung der Zölle rechnet er mit zusätzlichen Belastungen von rund 850.000 Euro pro Jahr. Insbesondere beim Anlagenbau seien die Gewinnmargen gering, „weshalb wir uns bereits in intensiven Abstimmungen mit unseren Kunden befinden. Wir arbeiten gemeinsam an Lösungen, um die Situation für alle Beteiligten bestmöglich und transparent zu gestalten.“
Die größte Herausforderung sei die „Unberechenbarkeit der US-Handelspolitik mit ihren wiederholten Ankündigungen, Änderungen und Rücknahmen, die eine verlässliche Planung nahezu unmöglich macht“. Man habe verschiedene Optionen evaluiert – von der Anpassung der Lieferketten bis hin zu neuen Preismodellen – und beobachte die politische Situation kontinuierlich.
Man gebe die Zollbelastung über Lauda-Brinkmann zum Teil an die Kunden weiter. „Diese globalen handelspolitischen Entscheidungen haben Auswirkungen bis in unsere Region. Für unseren Stammsitz in Lauda-Königshofen bedeutet dies geringere Verkäufe, die wir in unserer Umsatzplanung berücksichtigen müssen.“ Man prüfe alle Optionen, um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern.
Mitten im globalen Handelskonflikt
Dr. Wobser sagt klar: „Die aktuellen Entwicklungen deuten leider auf eine deutliche Verschärfung der handelspolitischen Spannungen hin, die weit über die ursprüngliche Achse USA-China hinausgehen und die EU einbeziehen. Wir befinden uns bereits mitten in einem globalen Handelskonflikt, dessen Ausmaß und Dauer schwer abzuschätzen sind“, spricht er von Verunsicherung und Besorgnis über diese Entwicklung. Dies schade allen Beteiligten und bringe keine Gewinner hervor. Eine mögliche weltweite Wirtschaftskrise lasse sich, so Wobser, schwer vorhersagen. „Aber die protektionistische Handelspolitik wird mit Sicherheit negative Auswirkungen auf die globale Wirtschaft haben. Wir beobachten eine deutliche Zurückhaltung bei Auftragserteilungen. Sollte sich die Politik der Handelshemmnisse verfestigen, droht eine gefährliche Spirale aus Gegenmaßnahmen, Marktunsicherheit und Investitionszurückhaltung, die tatsächlich zu einer weltweiten wirtschaftlichen Abkühlung führen könnte.“
Beim Anlagenbauer Wirthwein aus Creglingen macht man sich zwar Gedanken, sieht die Lage aber nicht ganz so dramatisch. „Die Führungskräfte der Welt- und Wirtschaftsmächte werden sich einigen“, meint Daniela Pfeuffer, Leiterin des Konzernmarketings. Zunächst seien die Zölle für 90 Tage ausgesetzt sind und beträfen das Unternehmen nicht. „Aber wir liefern auch Bauteile in die globale Automobilindustrie, die von den Trump´schen Zöllen betroffen sein könnten. Hierzu sind wir mit unseren Kunden sowie Lieferanten im intensiven Austausch.“ Kann man sich auf solche Szenarien vorbereiten? „Flexibilität gehört zu unseren Firmengrundsätzen. Wir haben ein Produktionswerk in den USA (Fountain Inn, SC), an dem wir für den US-amerikanischen Markt produzieren. Auf das potenziell unberechenbare Agieren des US-Präsidenten können wir durch unser globales Produktionsnetzwerk in den USA, China und Europa flexibel, schnell und zuverlässig für unsere Kunden reagieren.“ Neben den Risiken biete die jetzige Situation auch Chancen, „die wir aktuell nutzen, um aus dieser anspruchsvollen Situation gestärkt herauszukommen“.
Die Gefahr eines umfassenden Handelskrieges, „der erhebliche Auswirkungen auf den Welthandel und die Weltwirtschaft haben könnte“, besteht aus Sicht von Hauke Hannig, Pressesprecher bei ebm-papst in Mulfingen , durchaus. „Als Familienunternehmen mit langer Tradition in den USA verfolgen wir die politischen Entwicklungen vor Ort sehr genau. Wir beschäftigen an unseren Standorten in Connecticut und Tennessee rund 500 Mitarbeitende. Mit einem Umsatzanteil von rund 15 Prozent ist der US-Markt für uns als Technologieführer für intelligente und nachhaltige Ventilatorlösungen von großer Bedeutung.“ Seit 2017 stärke man sukzessive die Eigenständigkeit der Standorte in Europa, Asien und den USA, „wir entwickeln und produzieren vor Ort“. Damit mache man sich geopolitisch widerstandsfähiger. „Rund 50 Prozent unseres Umsatzes in Amerika wären derzeit von den neuen Zöllen betroffen, die wir weitergeben müssten.“ Im Hinblick auf die Weiterentwicklung dieser Strategie habe man vor wenigen Tagen in Indien den Spatenstich für ein neues Werk im Wert von 36 Millionen Euro gesetzt. Für weitere 30 Millionen Euro baut ebm-papst die Präsenz auf dem chinesischen Markt weiter aus. In den nächsten Wochen beginnt der Bau des neuen Standorts in Rumänien. In Deutschland hat man rund 30 Millionen Euro in Entwicklungszentrum und 60 Millionen Euro in das Technikum für Highspeed-Antriebe investiert. „Die Entscheidung über den Bau eines dritten US-Werks oder die Erweiterung unseres zweiten Werks in Tennessee, USA, stellen wir zurück und warten ab, wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entwickeln.“
Bereits mitten in der Rezession
Aus Hannigs Sicht könnten die aktuellen geopolitischen Spannungen und die Zollpolitik zu einer Weltwirtschaftskrise führen. Man hoffe auf Verhandlungen zu fairen Wirtschaftsabkommen und sei „zuversichtlich, dass die langfristigen Investitionen, unsere Lokalisierungsstrategie und unser Engagement, insbesondere in den USA, auch in Zukunft erfolgreich sein werden“.
Trumps Zollpolitik sorgt auch bei Kurtz Ersa in Kreuzwertheim für Sorgenfalten. Kommunikationschef Marcus Loistl spricht von „zusätzlichen Kosten, die die gesamte exportorientierte Industrie belasten“. Allerdings habe man durch eine globale Produktion auf mehreren Kontinenten eine flexible Struktur. Diese ermögliche es, kostenoptimiert zu agieren – auch bei Handelshemmnissen wie Zöllen. „Sollte es zu dauerhaften Maßnahmen kommen, können wir so kurzfristig steuern und Lieferströme anpassen.“ Kann man sich als Unternehmen auf ein solch unberechenbares Agieren vorbereiten? „Durch stabile Netzwerke und agile Prozesse stellen wir sicher, dass wir auch in schwierigen Zeiten handlungsfähig bleiben. Unser Fokus liegt auf der langfristigen Geschäftsentwicklung von Kurtz Ersa, nicht auf kurzfristiger Anpassung an politische Eskapaden..“ Ein langfristiger Handelskrieg ist für Loistl eher unwahrscheinlich – „selbst ein US-Präsident kann die Gesetze der Makroökonomie nicht dauerhaft außer Kraft setzen. Die aktuellen Preissteigerungen in den USA zeigen bereits die Grenzen von Handelsbarrieren und zwingen zum Pragmatismus.“ Aber man befinde sich schon mitten in einer weltweiten Rezession.
„Die US-Strafzölle sind eine Katastrophe“
Die Strafzölle sind für die exportorientierten Unternehmen der Region Heilbronn-Franken „eine Katastrophe in einer wirtschaftlich ohnehin schweren Zeit, auch wenn wir damit gerechnet haben“, so IHK-Präsidentin Kirsten Hirschmann in einer Reaktion auf die aktuellen Zoll-Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump.
Die Zollpolitik der USA trifft vor allem Automobil- und Maschinenbauer sowie deren Zulieferer und damit auch den Kern der Wirtschaftskraft in der Industrieregion Heilbronn-Franken. „Unsere Unternehmen haben bereits auf die restriktive Außenwirtschaftspolitik reagiert und investieren verstärkt in den USA. Das geht aber zulasten des hiesigen Standorts und wird nicht verhindern, dass unsere Unternehmen hart getroffen werden“, kommentiert die IHK-Präsidentin.
Unternehmen werden unter Druck gesetzt
IHK-Hauptgeschäftsführerin Elke Döring erklärt, welche Auswirkungen die Zollpolitik der USA auf die Unternehmen in der Region haben. „Sie sorgt vor allem aufgrund der permanenten Ankündigungen und Rücknahmen für maximale Verunsicherung, denn die Unternehmen können nicht verlässlich planen. Aktuell rudert Donald Trump wieder einmal zurück. Grundsätzlich setzen höhere Zölle, Gegenzölle und immer neue Regulierungen die Unternehmen unter Druck. Laut einer DIHK-Umfrage hat eine Mehrheit der Betriebe in den vergangenen Wochen und Monaten bei ihren internationalen Geschäften eine deutliche Zunahme von Handelshemmnissen festgestellt. 70 Prozent der Befragten erwarten negative Auswirkungen der US-Handelspolitik auf ihre Geschäfte.“